HSt vom Freitag, 11. November 2016:
Aktion, Collage, Manifest und Mundhygiene
"One more DADA" zeigt 36 Künstler in der Produzentengalerie B27
Von Leonore Welzin
Offenau "Was geht wirklich unter diesen Haaren vor?" fragt Dadatoni und spekuliert zum Konterfei von Donald Trump: "1. Mein Friseur wird Außenminister! 2. Jeder hat sich meine Frisur zuzulegen! 3. Die totale Hybris!" Dadatoni alias Günther Zitzmann, einer der Künstler, der die Produzentengalerie B27 gründete, hat in der jüngsten Ausstellung "One more Dada" eine brandaktuelle Bild-Text-Serie veröffentlicht. Evi Böhringer-Kerner bringt mit ihren "Stars and Stripes" aus Zahnpasta die Mundhygiene ins Spiel und Jörg Jauß ist mit seiner "DA-Schaufel" buchstäblich der Durchbruch des Perpetuum mobile gelungen.
Hintergründig und vieldeutig ist Nicole Weltes Objekt "Steckenpferd – zur Stärkung der Kopfhaut" (siehe Diditoni). Matthias Gnatzy Kunstwelt-Theater reanimiert vor viel Dunkel die Sprengkraft der Merz-Bilder und wirft die Frage auf "Who's afraid of red, yellow and blue?". Repräsentiert durch drei Zahnbürsten(-Protagonisten) in den Primärfarben, wird – wie in Hartmut Liebschs "Blabla"-Objekt mit Kunstgebiss – auch hier Sprach- und Mundhygiene thematisiert.
Die einen haben den Dadaismus quasi mit der Muttermilch aufgesogen und bewegen sich agil in unterschiedlichen Medien, wie "Xangbuch" und das Pamphlet "Brezelbicinium" (Programmmusik) von Lisa Moll. Ebenso Neo-Dada sind die Videodokumente ("Fence Dance", "Auf und nieder – Aktion zum Wegklappen einer Baumkrone; Vorrichtung, die Obstbauern die letzte Ernte erleichtern soll") des Künstlertrios BMR (Detlef Bräuer, Karl May und Uli Peter). Als echter Dada-Revolutionär entpuppt sich Klaus Koppal, in dessen Werk (Collagen, Gedicht und Manifest wider die Verwahrlosung der Welt) der Sauerteig von einst im Hier und Jetzt aufgeht: "Alle Duduisten sind aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten, damit die Menschheit den erstrebenswerten Zustand des Irreseins erreicht", lautet eine seiner Forderungen.
Hatte die Produzentengalerie B27 je einen solchen Zulauf? 300 Besucher allein bei der Vernissage lassen manchen Kunstverein vor Neid erblassen. Auch wenn die Idee vermessen klingt, die Kunstbewegung des Dada aus dem Kriegsjahr 1916, die – von Zürichs Club Voltaire ausgehend – in ganz Europa hohe Wellen schlug, nach 100 Jahren in Offenau fortzusetzen, das Resultat kann sich sehen lassen: 36 Künstler haben teils im historischen Rückgriff Collagen, Materialbilder und Objekte gefertigt, die mal naiv mit Taube für den Weltfrieden werben, den "Trost" aufs Pflaster drucken oder, wie Steffi Oberhoff, einen "Pancake of peace" backen und in Stücke rupfen.
Info: Am Sonntag 13.November geht die Ausstellung "One more DADA" in der Produzentengalerie B27, Offenau, Hauptstraße 8a mit einer Finissage zu Ende. Ab 14 Uhr gibt es musikalische, aktionistische und kulinarische Beiträge. www.produzentengalerieb27.com |
